Internationales Symposium für Anästhesie, Intensivtherapie, Notfallmedizin, Schmerztherapie · 25. Januar bis 1. Februar 2003 · St. Anton, Arlberg


aus der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie der Universität Rostock
Direktorin: Frau Prof. Dr. med. Gabriele Nöldge- Schomburg
Pflegedienstleitung: Oliver Bubritzki

Bauchlagerung, alternative Lagerungen und Lagerungstechnik
Kathrin Wandschneider, Gabi Seidel

Durch die gebesserte Kenntnis des therapeutischen Effekts spezieller Lagerungen hat sich deren Anwendung in der Intensivpflege in den letzten Jahren etabliert. Zunehmend finden Lagerungstherapien neben der Dekubitusprophylaxe und -therapie bei jeder durch Lagerung beeinflussbaren Gasaustauschstörung Anwendung.

Komplexe Lagerungen, durchgeführt am bewegungseingeschränkten oder immobilen Patienten, die das Ineinandergreifen von Therapiekonzepten beinhalten, lassen einen hohen Aufwand an Personal, Zeit und Sachmitteln vermuten. Zudem besteht ein nicht zu unterschätzendes vitales Risiko für den Patienten. Auf die Befindlichkeit des Patienten, seinen Willen und seine Eigenverantwortlichkeit wird selten adäquat eingegangen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lagerungsmethoden möchten wir Beispiele zeigen, die unter anderem folgende Vorzüge bieten:

Unsere Herangehensweise stützt sich auf physiologische und pathophysiologische Kenntnisse, ebenso das Bewußtmachen von Bewegungsabläufen des Menschen im täglichen Leben. Dieser Beitrag soll Anregung und Motivation für Pflegende sein, sich von schematischen Lagerungsvorstellungen freizumachen und Lösungen zu finden, die den Menschen in seinen eigenen Bewegungen unterstützen, seinen individuellen Bewegungsspielraum erhalten und in seiner Eigenverantwortung stärken und ihm somit die Rückkehr in ein normales Leben erleichtern. Durch selbsterfahrungsgeleitete Übungen können die Teilnehmer die Lagerung und Technik erleben, jedoch auch die Annäherung an die Wahrnehmung des Patienten, die er durch unsere "Tätlichkeiten" an sich selbst erfährt.

Rückblick

Die Entwicklungen in Medizin, Technik und dem arztorientiertem Pflegeverständnis hatten dazu geführt, die Bedeutung der Lagerung auf die Dekubitusprophylaxe und -therapie zu reduzieren. Alle anderen Auswirkungen von Lagerungen auf den Patienten wurden nicht mehr ausreichend wahrgenommen.

In den 70er und zu Beginn der 80er Jahre wurde teilweise sogar die Notwendigkeit der Lagerung in der Intensivpflege negiert. Das Vertrauen auf Heilung gründete sich auf den Glauben an die Kraft der Technik. Wenn überhaupt Lagerungen, dann automatisch mit einer Maschine, den kinetischen Betten.

Durch erweiterte Diagnosemöglichkeiten, gezielte Forschung und Umdenken konnte eine "low-tech-Therapie" Einzug halten. Seit Ende der 80er Jahre werden vermehrt Studienergebnisse zur Bauchlagerung und deren therapeutischen Erfolge veröffentlicht, bedingt durch die Möglichkeit der Computertomografie, die die guten Ergebnisse visualisiert und nachvollziehbar macht. Gleichzeitig vollzog sich eine Rückbesinnung der Pflege auf die Ganzheitlichkeit des Menschen.

Aus eigener Erfahrung können wir feststellen, dass sich in den letzten vier Jahren das Lagern von beatmeten Patienten auf den Bauch, als eine erfolgreiche Methode bewährt hat. Anfänglich aufgetretene Ängste und Widerstände im Team konnten durch Fortbildung und Bereitschaft zur Optimierung abgebaut werden. Dies führte dazu, dass die Bauchlagerung auf unserer Station nicht nur therapeutischen Einsatz gefunden hat, sondern auch als prophylaktisches Instrument bei nicht beatmeten und beatmeten Patienten eingesetzt wird.

Lagerungsformen

Anwendung finden wechselnde Bauch- und Seitenlagerung zur Umverteilung der interstitiellen Flüssigkeit und Verminderung von Perfusions-Ventilations-Ungleichgewichten. Zu den Bauchlagerungsformen zählen: horizontale oder 180°-Bauchlagerung und die 30°- bzw. 135°-Bauchlagerung. Die 135°- Bauchlage wird als ebenso effizient wie die horizontale Bauchlage angesehen. Hier ist ein rechts/links Lagewechsel möglich. Bei den Seitenlagerungen werden 90°-Seitenlage und 45°-Seitenlage unterschieden.

Bauchlage zur Prophylaxe und Therapie

Ziel Lagerung als pflegetherapeutische Maßnahme
Pflegediagnose Störung des Gasaustausches
Pflegeziel Verbesserung des Gasaustausches
Pflegemaßnahme Intermittierende Bauchlagerung
Indikation genaueste Ursachenkenntnis, jede umschriebene Form von Atelektasen, Infiltraten, Sekretstau
Kontraindikation hämodynamische Instabilität
rel. Kontraindikation ultima ratio bei Patienten mit drohender Hypoxie, z.B. Patienten mit Hirndruck (und liegender ICP-Messsonde)
keine Indikation Lungenödem, obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen
Wirkung Die Rekrutierung atelektatischer Lungenbezirke erfolgt durch die bessere Belüftung der bisher unten liegenden und stärker durchbluteten Lungenareale und die bessere Durchblutung der bisher gut belüfteten Lungenareale. Die durch das Eigengewicht der Lunge bestehende Zugkraft bewirkt die Eröffnung von Atelektasen. Die interstitielle Flüssigkeit kann sich besser verteilen, das Bronchialsekret fliesst entsprechend der Schwerkraft ab und der Gasaustausch verbessert sich.

Die Einteilung erfolgt in Responder (Patienten, bei denen die Therapie anspricht) und Non-Responder (Patienten, bei denen die Lagerungstherapie erfolglos bzw. wenig eindrücklich erfolgreich ist). Die Bauchlage als Prophylaxe bei Responder-Patienten kann im kontinuierlichen Wechsel alle 6 Stunden, über Nacht bis zu 12 Stunden angewandt werden. Die Vorteile der langen Bauchlage in der Nacht sind eine geringere Dichte an Therapie, Diagnostik und Pflege als am Tag. Zudem ist die 135°-Bauchlage oft eine gewohnte Schlafposition, und dient der Unterstützung des Schlafes.

Die Pflegekräfte sind zuständig für die praktische Durchführung der pflegetherapeutischen Maßnahmen, Überwachung und Betreuung des Patienten. Pflegende sollten einschätzen können, ob der Patient auf dem Bauch liegen kann und mitentscheiden, ob er auf dem Bauch liegen soll. Deshalb wird die Maßnahme immer mit den zuständigen Ärzten abgesprochen.

Durchführung der 135°-Bauchlage

Eine erste Bauchlagephase findet am Tag statt und dauert 2 bis 4 Stunden. Sie dient vor allem zur Einschätzung des Nutzens für den Patienten: Responder- können von Non-Responder-Patienten unterschieden werden, Dekubitus-Problembereiche können erkannt werden, das Verhalten der Hämodynamik und des Gasaustausches während der Lagerung eingeschätzt werden.

Je nach Patientensituation sollte die 135°-Bauchlagerung hauptsächlich nachts im zweistündlichen Wechsel zwischen rechts und inks für maximal zwölf Stunden erfolgen. Gegebenenfalls ist alle 6 Stunden in die Rückenlage zu wechseln.

Unter kinästhetischen Aspekten ist mit zwei bis drei Pflegekräften zu lagern und entsprechend der Gesamtsituation nach ärztlicher Verordnung zu sedieren.

Alle erforderlichen pflegerischen Maßnahmen werden auch in der Phase der 135°-Bauchlage durchgeführt, ebenso sind Erfahrungen zur ständigen Anpassung der Pflegemaßnahmen an die Patientensituation auszunutzen und die notwendigen Prophylaxen patientenbezogen zu berücksichtigen. Auf Vorlieben des Patienten bei der Lagerung ist nach Möglichkeit einzugehen, Erfahrungen von Angehörigen in Bezug auf Lieblingsschlafpositionen sind mit einfliessen zu lassen.

Als Methoden des Umlagerns sind bekannt:

"Hau-Ruck-Methode"

Goodman-Methode

Kinästhetik-Methode

Als mögliche Gefahren und Komplikationen sind auch in der 135°- Bauchlagerung zu beachten und vermeidbar(!):

  1. Dekubitusgefahr
  2. thorakale Kompression
  3. Gelenk- und Nervenschäden
  4. Gesichtsödeme
  5. Endotracheales Absaugen

Im Anschluß an einen Lagewechsel ist der ansprechbare Patient nach seinem Befinden zu befragen. Bei beatmeten Patienten sind Atmung und Lebensleitungen nach jedem Lagewechsel zu kontrollieren, ebenso die Blutgase nach 20 Minuten. Die Lagerungsposition ist bei Verschlechterung der Hämodynamik, der Oxygenierung oder ausbleibender Besserung nach 4 Stunden abzubrechen.

180°- Bauchlage und 135°-Bauchlage im Vergleich

  180°-Lage 135°-Lage
Lungenfunktion effektiv effektiv
gezielte Lagerungsdrainage
Lagewechsel rechts/links möglich
Durchführung sehr aufwendig aufwendig
Personalaufwand 4 bis 6 Personen 2 bis 3 Personen
Dekubitusgefahr stark erhöht
geringe Auflagefläche
leicht erhöht
Scherkräfte sind verringert
größere Auflagefläche
Zugang zum Gesicht unmöglich bis stark eingeschränkt mäßig eingeschränkt, Augenpflege, oronasale und Mundpflege teilweise möglich
Gesichtsödeme massiv leicht
Bequemlichkeit sehr unbequem
HWS- Position unphysiologisch
unbequem bis bequem
physiologische Lage
Pflegemaßnahmen stark eingeschränkt eingeschränkt bis möglich
Bronchialtoilette lagebedingt erschwert möglich
Zugang zu Femoraliskathetern fast unmöglich möglich
Diskonnektion vom Respirator notwendig nicht notwendig
Diskonnektion der arteriellen Druckmessung notwendig meist nicht notwendig
Relaxierung häufig notwendig (verlängert Weaningphase) nicht notwendig
Sedierung häufig erhöht zur Umlagerung selbst
während der Lage leichte bis keine
Kommunikation mit Pat. erhalten
Sicherheit bei größter Sorgfalt nicht gewährleistet
Gefahr des akzidentellen Schlauchverlust
gewährleistet
schnelles Notfallmanagment
weniger Kompikationen
Feedback für Personal Unsicherheit , Unzufriedenheit , Abneigung souveränes Arbeiten, Motivation
Lagerungshilfsmittel sehr viele eine lange Rolle und etwa ein Kissen

Lagerungspositionen

Rückenlage

Kopf leicht erhöht auf einem Kissen lagern
Arme Oberarme leichte Abduktionstellung, Unterarme leicht angebeugt und erhöht auf einem Kissen lagern, venösen Rückstrom fördern
Hände physiologische Mittelstellung der Hand
Beine Rolle unter Kniegelenk, Fersen freilagern, Unterschenkel nicht auf Kissen aufliegen lassen, venösen Rückstrom gewährleisten
Füsse Aussen- und Innenrotation vermeiden

90°-Seitenlage (Abb. 1 und 2)

Kopf wird auf das obere Ende der im Rücken liegenden Rolle gelagert, Kompression der Jugularvenen vermeiden
Arme den oben liegenden Arm auf den Bauch des Patienten lagern, mit Kissen evtl. unterstützen, den unten liegenden Arm durch gestützten Zug an der Schulter zur Druckentlastung der Schulter nach vorn bewegen, Unterarm wie in Rückenlage lagern
Hände Lagerung erfolgt wie in Rückenlage
Beine das untere Bein gestreckt oder leicht gebeugt nach hinten lagern, das obere Bein in Beugestellung parallel vor das untere Bein auf das untere Ende der im Rücken liegenden Rolle lagern
Füsse frei lagern
Rücken mit einem zusätzlichen Lagerungskissen, neben der Rolle, stabil abstützen

45°-Seitenlage (Abb. 3 und 4)

Sitzposition

Kopf wie in Rückenlage, soll nicht vornüber fallen bzw. rekliniert sein
Rücken im unteren Rücken flache lange Rolle platzieren
Arme die überstehenden Enden der langen Rollen werden unter den Armen zu geneigten Ebenen modelliert, Unterschenkel sind wie in Rückenlage zu lagern
Hände Lagerung erfolgt wie in Rückenlage
Beine unter Oberschenkel zwischen Gesäß und Kniekehlen flache lange Rolle (verhindert das Rutschen des Patienten im Bett)
Füsse wie in Rückenlage

180°-Bauchlage

Kopf mit speziellem Hilfsmittel lagern ("Kopfschale" mit Aussparungen für Augen, Nase, Mund - diese dürfen nicht aufliegen)
Arme parallel zum Rumpf beinwärts lagern, ggf. im Schultergelenk abspreizen, Unterarme am Ellbogen beugen, kopfwärts auf Lagerungskissen lagern
Rumpf unter Thorax und Becken jeweils ein stabiles Lagerungskissen, Abdomen nicht aufliegen lassen, Bauchatmung muß gewährleistet sein
Hände Lagerung erfolgt wie in Rückenlage
Beine gestreckt, Ober- und Unterschenkel jeweils auf ein Kissen lagern
Füsse frei lagern

135°-Bauchlage (Abb. 5 und 6)

Kopf liegt zur oben liegenden Seite auf dem oberen Ende der langen Rolle
Arme der Arm der oben liegenden Seite kopfwärts im Ellbogen gebeugt, Unterarm liegt erhöht auf Lagerungskissen, der andere Arm liegt am Rumpf beinwärts, im Ellbogengelenk leicht gebeugt
Hände Lagerung erfolgt wie in Rückenlage
Rumpf liegt auf langer Rolle auf
Beine unten liegendes Bein ist gestreckt oder leicht gebeugt, oben liegendes Bein liegt auf unterem Ende der langen Rolle auf und ist im Kniegelenk leicht angewinkelt
Füsse frei lagern

Die Drainage kann nach Ausschluß der Kontraindikationen durch zeitlich limitierte Horizontal- und Kopftieflage unterstützt werden. Atemgymnastische Übungen wie atemstimulierende Einreibung und Vibrax sollten während der Lagerung konsequent durchgeführt werden.

Fazit

Das Ineinandergreifen von Therapiekonzepten, wie intermittierende Bauchlage, differenzierte Beatmung, Atemtherapie, basale Stimulation und die Kinästhetik unterstützen den Erfolg der Behandlung. Mit der Erkenntnis, dass die 135°- Bauchlage ebenso effektiv ist wie die horizontale Bauchlage und sie weniger Komplikationen und Probleme aufweist, hat sie sich als therapeutische Lagerung bewährt. Die 180°- Bauchlage ist ein schematischer Akt, an dem der Patient tief sediert und ggf. relaxiert nicht aktiv mitarbeiten kann. Im Gegensatz dazu erfordert die 135°- Bauchlage nur eine leichte, an die Situation angepasste Sedierung. Sie gibt uns die Möglichkeit, den Patienten zur aktiven Mitarbeit zu motivieren und unterstützt seine eigene bewußte Körpererfahrung. Der Kontakt zwischen Patient und Pflegenden wird aufrecht erhalten. Eine Kommunikation ist möglich, und der Patient kann uns mittels Körpersprache wie Schmerzmimik, Abwehr, Entspannung und nonverbaler Zustimmung sein Befinden mitteilen. Somit kann er seine Situation selbst mitgestalten und auf seinen Genesungsprozeß besser Einfluss nehmen.

Quellen

[Es tut uns leid, dass diese Seite von Netscape 4.x nicht w3c-konform dargestellt wird. Sie können sich ärgern oder eine aktuelle auf Gecko basierende Distribution installieren.]